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Forschung2Go | 18. September 2017

#Forschung2Go – Digitalisierung macht Banken nicht erfolgreich

Gut möglich, dass nach dieser Überschrift die ersten Skeptiker schon frohlockend auf dem Weg in den Keller sind, um die guten alten Überweisungsträger hervorzukramen. Das wäre vorschnell, wie eine wissenschaftliche Studie zeigt, die 2017 im Rahmen der Proceedings of the 25th European Conference on Information Systems (ECIS) publiziert wurde: Der aktuelle Digitalisierungsgrad in Banken hat zwar keine Auswirkung auf ihre Performance, unternehmerische Orientierung gepaart mit einer passenden strategischen Vision für die digitale Transformation hingegen sehr wohl.

In der Rubrik #Forschung2Go stelle ich ausgewählte Paper aus der Welt der Wissenschaft im Themenspektrum Innovation / Banking / Fintech kompakt vor und kommentiere sie, gerne mit einem Augenzwinkern, aber immer wertschätzend. Mehr zum Hintergrund der Rubrik steht HIER.

Worum geht’s?

Laut vorangegangener wissenschaftlicher Studien sollten Unternehmen, die vor „einzigartigen und von Unsicherheit geprägten Herausforderungen“ stehen, auf unternehmerisches Handeln setzen. Der Fachbegriff in der Forschung dafür: „Entrepreneurial Orientation“, definiert als eine Kombination aus Streben nach Innovation, proaktivem Handeln und Risikobereitschaft. Da sich Digitalisierung in der Finanzbranche – Zufälle gibt’s – perfekt als einzigartige und von Unsicherheit geprägte Herausforderung qualifiziert, steht dem fröhlichen Forschen nichts im Wege: Im Kern geht es in der Studie Entrepreneurial orientation and digitalization in the financial service industry: A contingency approach um die Fragen, ob (1) unternehmerische Orientierung Banken im Umgang mit der Digitalisierung erfolgreicher macht und (2) welche Rolle dabei der aktuelle Digitalisierungsgrad sowie (3) die Existenz einer strategischen Vision für die digitale Transformation spielen.

Warum interessiert uns das?

Digitalisierung ist aktuell das dominierende Thema in der Finanzbranche. Im Vergleich zu Regulierung und Niedrigzinsphase ist Digitalisierung schwieriger zu greifen und damit prädestiniert für Missverständnisse; ein rein technisches Thema ist es nur auf den ersten Blick. Auf Basis der sogenannten Kontingenztheorie lässt sich argumentieren, dass der pauschale Zusammenhang „mehr Digitalisierung gleich mehr Erfolg“ zu kurz gegriffen ist und es auf das Zusammenwirken mit unternehmerischer Orientierung und der strategischen Vision ankommt. In der Praxis tun sich Banken teils schwer damit, ihren individuellen Weg der digitalen Transformation zu finden. Umso wertvoller ist es, das Ganze wissenschaftlich aufzurollen.

Wie wurde es gemacht?

Von den 850 systematisch ausgewählten und per E-Mail angesprochenen deutschen und schweizerischen Banken klickten sich immerhin N=102 Teilnehmer vollständig durch einen Online-Fragebogen – 71 weitere blieben aus nicht überlieferten Gründen irgendwo auf der (Klick-)Strecke, so dass ihre Antworten aussortiert werden mussten. Sinn eines Fragebogens ist immer die Generierung inhaltlich nützlicher Daten. Im vorliegenden Fall brauchte es Werte für Unternehmensperformance, Digitalisierungsgrad, unternehmerische Orientierung und strategische Vision. Jedes dieser Konstrukte wurde im Fragebogen durch eine oder mehrere Fragen abgebildet. Das ist bereits eine Kunst für sich – sofern verfügbar kann man auf bewährte Fragensets aus früheren Studien zurückgreifen. Oder eben auch nicht: Zur Erhebung des Digitalisierungsgrads wurden die Probanden schlicht gefragt: „Zu welchem Grad (in Prozent) ist Ihr Geschäftsmodell bereits digitalisiert?“ Nicht optimal, aber legitim und wichtiges Prinzip in der Wissenschaft: Limitationen der eigenen Arbeit explizit benennen und die wissenschaftliche Community dazu anregen, perspektivisch nach besseren Varianten zu suchen.

Methodisch wurden mithilfe explorativer Faktorenanalyse, Cronbachs Alpha und Omega, etc. zunächst die Reliabilität und Validität der erhobenen Daten untersucht. Auf gut deutsch: Statistik-Spaß, um zu prüfen, dass man mit den gestellten Fragen auch das gemessen hat, was man eigentlich messen wollte. Für die Beantwortung der eigentlichen Forschungsfragen wurde eine schrittweise Regressionsanalyse durchgeführt, das heißt es wurde mithilfe statistischer Verfahren in mehreren Schritten versucht ein Modell zu finden, das die Zusammenhänge der Werte mit Blick auf die Zielvariable (hier: Unternehmensperformance) bestmöglich erklärt. Clou: Es lassen sich auch Interaktionen zwischen den Konstrukten erkennen.

Was kam raus?

Das finale Modell war in der Lage aus dem Zusammenspiel der Variablen unternehmerische Orientierung, Digitalisierungsgrad und strategische Vision die Unterschiede zwischen den Teilnehmer-Banken bei den erhobenen Performance-Werten zu knapp 50 Prozent zu erklären. Ob das ein „guter“ Wert ist, kann man so pauschal nicht sagen. Um jetzt nicht in die statistischen Hintergründe abzuschweifen, die ganz unwissenschaftliche Aussage: Ich persönlich finde ein halbvolles Glas gut, andere ein halbleeres Glas schlecht. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Modell noch zwei Kontrollvariablen (Typ der Bank und Land) enthalten waren. Das ist nix schlimmes: In der Stichprobe hatten Banken vom Typ Privatbank sowie Banken aus Deutschland tendenziell höhere Performance-Werte. Da es inhaltlich ja aber um die Wirkung von unternehmerischer Orientierung, Digitalisierungsgrad und strategischer Vision ging, wurde der Einfluss der beiden Kontrollvariablen quasi herausgerechnet.

Zurück zu den Ergebnissen: Die unternehmerische Orientierung ist die einzige Variable mit direktem Einfluss auf die Unternehmensperformance der Banken. Die strategische Vision zur digitalen Transformationen hat nur in Kombination mit der unternehmerischen Orientierung Einfluss auf die Performance, sprich strategische Vision und unternehmerisches Handeln müssen auf einander abgestimmt sein – das Vorhandensein einer Vision alleine reicht nicht. Interessanterweise spielt der aktuelle Digitalisierungsgrad in der Bank keinerlei Rolle für die Performance, weder alleine noch im Zusammenwirken mit der unternehmerischen Orientierung.

Was nehmen wir mit?

Dass Digitalisierung egal für den Unternehmenserfolg in Banken ist, wäre eine fatale Fehlinterpretation der Ergebnisse: Vielmehr zeigt sich, dass purer Digitalisierungs-Aktionismus, wie er in der Praxis teilweise zu beobachten ist (nach dem Motto: „Wir müssen jetzt mal dringend irgendwie Digitalisierung machen!“) nicht erfolgsversprechend ist. Weder Strategie noch Technologie alleine erhöhen den Erfolg: Entscheidend im Zusammenspiel ist die Ausrichtung auf die unternehmerische Orientierung. Investitionen in Digitalisierung ohne zugrundeliegende strategische Vision bleiben wirkungslos, sie müssen vielmehr Ausdruck des Strebens nach Innovation, proaktiven Handelns und Risikobereitschaft sein. Wie der fehlende Einfluss auf die Unternehmensperformance zeigt, ist der aktuelle Digitalisierungsgrad an sich kein Wettbewerbsvorteil für Banken. Es kommt nicht darauf an, der erste zu sein, der neue Technologien implementiert, sondern derjenige, der sie in innovativer Weise unternehmerisch nutzbar macht.

Eigentlich müsste es dann auch ja möglich sein, die eingangs erwähnten Überweisungsträger auf innovative Art unternehmerisch nutzbar zu machen: Über das Marktpotenzial von SEPA-Origami-Kunstwerken und SEPA-Recycling-Krawatten streiten wir allerdings im Büro noch.

Referenz:
Niemand, Thomas; Rigtering, Coen; Kallmünzer, Andreas; Kraus, Sascha; and Matijas, Stevan, (2017). Entrepreneurial orientation and digitalization in the financial service industry: A contingency approach. In: Proceedings of the 25th European Conference on Information Systems (ECIS), Guimarães, Portugal, June 5-10, 2017 (S.1081-1096). URL: http://aisel.aisnet.org/ecis2017_rp/70

Bisher erschienen in der Beitragsreihe #Forschung2Go:

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